Auf dem Weg zur industriellen Autonomie verfügt jede Branche über eigene Antriebskräfte und Wegbereiter, sieht sich aber auch mit ganz individuellen Hürden konfrontiert. Eine wichtige Erkenntnis aus den Interviews, die wir mit Branchenexperten und Vordenkern der Technologiebranche geführt haben, war, dass zur Maximierung des potenziellen Nutzens alle beteiligten Stakeholder zu einer einheitlichen Vision dessen kommen müssen, was sie für ihre jeweilige Branche zu erreichen hoffen.

KI und Robotik: Entwicklungen im Herzen der industriellen Autonomie

- Menschliche Beteiligung augmentieren oder ersetzen: sowohl bei der manuellen Arbeit als auch auf Ebene der Entscheidungsfindung -

Aus den Gesprächen mit Branchenexperten wurde uns klar, dass Autonomieebenen sehr stark abweichen können, nicht nur zwischen den einzelnen Branchen, sondern auch innerhalb der einzelnen Unternehmen. Und während es Anwendungen gibt, bei denen bereits die Ebene der „autonomen Inszenierung“ erreicht wurde, was bedeutet, dass autonome Systeme für die Entscheidungsfindung zuständig sind, machen die meisten neuen Projekte derzeit erst den Schritt zu den Ebenen der Automatisierung oder Halbautomatisierung.

Das liegt daran, dass der Übergang zu einem größeren Maß an Autonomie maßgeblich von der Art der Anwendung beeinflusst wird. Bei komplexeren Anwendungen mit mehreren Systemen oder bei Anwendungen, die einem höheren Grad an Unsicherheit und Unberechenbarkeit unterliegen, ist die Präsenz menschlicher Bediener notwendig.

Darüber hinaus mag es zwar eine aufregende Zeit für neue Technologien sein, aber es gibt verschiedene Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, damit die Umsetzung der industriellen Autonomie in der Zukunft erfolgreich sein kann.

Insgesamt gesehen sind die Technologien, die von Branchenführern am häufigsten als „Game Changer“ angesehen werden, die künstliche Intelligenz (KI) und die Robotik. So kommt beispielsweise die KI beim Umgang mit großen Datenmengen und bei der Unterstützung von prädiktiven Analysen ins Spiel, die sich auf Bereiche wie die Überwachung des Zustands von Assets (Asset Health Monitoring), die Prozessoptimierung und das Qualitätsmanagement anwenden lassen. Die Vorteile einer Datenanalyse ohne Domänenwissen sind jedoch begrenzt. Der echte Mehrwert entsteht, wenn diese Technologien mit der nötigen Expertise kombiniert werden, die sowohl eine Identifizierung der geschäftlichen Problembereiche ermöglicht als auch das nötige Verständnis des Datenkontexts zur Speisung dieser Algorithmen liefert.

Auf der anderen Seite erörterten Fachleute aus der Öl- und Gasbranche, wie Robotik-Lösungen zunehmend in unterschiedlichen Formen und Umgebungen eingesetzt werden, von mobilen Robotern wie Drohnen, die zur Unterstützung von Inspektionen aus der Luft, beispielsweise bei der Überwachung von Methanemissionen, eingesetzt werden, bis hin zu ferngesteuerten Fahrzeugen mit Roboterarmen, die bei Unterwasserarbeiten an Pipelines Anwendung finden können.
Darüber hinaus wurden „feststehende“ landgestützte Roboter in Anwendungen auf Bohrplattformen eingeführt, um den Umgang mit Rohren und den Einsatz von Werkzeug zu automatisieren.

Die Fragen nach dem „Was“, „Wo“, „Wann“ und „Wie“ in Bezug auf die Einführung industrieller Autonomielösungen werden ebenfalls stark von der jeweiligen Einrichtung und ihrem Bereitschaftsgrad beeinflusst. Die Befragten mit Brownfield-Standorten gaben an, dass die Einführung fortschrittlicher Technologien große Hürden mit sich bringe, da viele dieser Standorte weder im Hinblick auf Autonomie noch zur Begrenzung der Mitwirkung menschlicher Bediener konzipiert wurden. Aber diese Standorte wurden im gleichen Atemzug auch als Orte identifiziert, an denen ein maximaler Nutzen erzielt werden kann, da sie mehr Energie verbrauchen, mit ausgeprägteren Ineffizienzen zu kämpfen haben und ein höheres Maß an Wartung erfordern. Im Gegensatz dazu werden Greenfield-Standorte zunehmend direkt so konzipiert, dass sie einen autonomen Betrieb unterstützen und autonome Elemente, beispielsweise aus der Robotik, direkt nutzen.

KI und Robotik: Entwicklungen im Herzen der industriellen Autonomie

Herausforderungen auf dem Weg zur Autonomie

- Die Hürden auf dem Weg zur industriellen Autonomie müssen stets berücksichtigt und effektiv angegangen werden -

Trotz der klaren Vorteile müssen Unternehmen, die autonome Lösungen einführen wollen, bestimmte Herausforderungen bewerten und adäquat bewältigen. Diese Herausforderungen umfassen:

Kosten: Obgleich autonome Technologien die Betriebskosten langfristig erheblich senken können, räumten selbst Branchenführer ein, dass die anfänglichen Investitionskosten oft beträchtlich sind, insbesondere bei der Aufrüstung von Brownfield-Standorten. Für einige Regionen hatten die Befragten festgestellt, dass Standorte, die Zugang zu kostengünstigen Arbeitskräften haben und bei denen die Kosten das oberste Gebot darstellen, es vorziehen werden, Mitarbeiter einzustellen, anstatt zunächst kostspielige autonome Lösungen einzuführen.

Vorschriften und regulatorische Hürden: Die Arbeit mit neuen Technologien kann eine Reihe neuer Risiken mit sich bringen. Zum Beispiel kann eine KI zur Verbesserung von Prozessen eingesetzt werden, indem sie sich selbst an unterschiedliche Bedingungen anpasst (in der pharmazeutischen Produktion könnten dies zum Beispiel Veränderungen der Feuchtigkeit, der Qualität der Inhaltsstoffe, der Umgebungstemperatur usw. sein). In solch stark regulierten Branchen, wie hier am Beispiel der Pharmaindustrie zu erkennen, stellt sich jedoch noch die Frage, wie ein selbstlernender Algorithmus angemessen validiert werden kann. Da der Algorithmus sich selbst modifiziert, entspricht er im Betrieb in kürzester Zeit nicht mehr seinem vorherigen Stand und wird somit auch nicht mehr durch eine zuvor bestehende Validierung abgedeckt.

Technologische Einschränkungen: Mit der fortschreitenden Komplexität der im Betrieb eingesetzten Systeme stoßen autonome Funktionen und Fähigkeiten aktueller Lösungen auf Herausforderungen. Wenngleich Analytik-Lösungen aus großen Datenmengen Bedeutungen effektiv ableiten können, sind aktuelle Lösungen zwar tiefgehend, aber auch „engstirnig“ ausgelegt. Es fehlt noch an der nötigen Flexibilität, um Herausforderungen zu lösen, die nicht einer bekannten Standardsituation entsprechen. Daher sind die Befragten zu dem Schluss gekommen, dass die Verbindung dieser Technologien mit dem Menschen das Beste aus beiden Welten zusammenbringen kann. Aber selbst hier müssen Überlegungen angestellt werden, wie die Verantwortung für die verschiedenen Entscheidungsprozesse in Anbetracht der rechtlichen und ethischen Implikationen geteilt werden soll.

Vertrauen und Ethik: Ein Punkt, der uns in mehreren Interviews begegnete, war, dass die erfolgreiche Einführung neuer Technologien die Akzeptanz und das Vertrauen der Belegschaft, die mit diesen neuen Technologien koexistieren soll, erfordert. Unternehmen müssen ihrerseits überlegen, wie sich die industrielle Autonomie auf die Arbeitsplätze auswirkt und wie die vorhandenen Arbeitskräfte unterstützt und weitergebildet werden können.

Herausforderungen auf dem Weg zur Autonomie

Identifizieren und fördern

- Nutzung der Wertschöpfung für Unternehmen durch Autonomie zur Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit -

Wenngleich diese Herausforderungen beträchtlich sein können und die industrielle Autonomie vielleicht nicht für alle Anwendungen geeignet sein mag, war der Konsens unter den Befragten, dass die erzielbaren Vorteile, sobald entsprechende Systeme und Lösungen vorhanden wären, zu groß seien, um diese schlicht zu ignorieren. Zu diesen Vorteilen, so die Befragten, gehörten eine verbesserte Produktivität, die Fähigkeit, durch autonome Lösungen die durch das Ausscheiden von Arbeitskräften in den Ruhestand entstandene Lücke an Fähigkeiten und Erfahrungen zu schließen, sowie eine Kostensenkung infolge einer effizienteren Fertigung und durch den Einsatz autonomer Lösungen.

Um den Erfolg von Projekten in diesem Bereich sicherzustellen, ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass geeignete Anwendungen identifiziert werden und eine positive Kosten-Nutzen-Analyse gegeben ist. Auf einer solchen, entsprechend fundierten Grundlage müssen Investitionsentscheidungen sowohl für die unmittelbare als auch für die langfristige Zukunft getroffen werden, um den Anfang auf dem Weg zur industriellen Autonomie zu machen oder die weitere Entwicklung bestehender Konzepte zu beschleunigen.

Identifizieren und fördern

facebook twitter Linkedin