Net-zero emissions Circular economy

Die Kunst der Koexistenz - eine schöne, symbiotische neue Welt

  • Symbiotic Economy
  • Smart City
  • Sustainability

Die Welt sieht sich mit den Folgen der COVID-19-Pandemie konfrontiert, die soziale und geschäftliche Aktivitäten und, nicht zuletzt, auch den persönlichen Konsum stark einschränkt. Die jüngsten Nachrichten über vielversprechende Fortschritte bei der Entwicklung und Zulassung von Vakzinen werden durch die Erkenntnis getrübt, dass die globale Gesellschaft die Koexistenz mit COVID-19 beim Wiederaufbau und der Neuausrichtung unserer stagnierenden Volkswirtschaften berücksichtigen muss. In ihren Plänen berücksichtigen Unternehmen auch die immer wichtiger werdenden Aspekte des Umweltschutzes, wie das Aufkommen des Begriffs „Green Recovery“ beweist. CEOs von 155 Unternehmen auf der ganzen Welt haben gemeinsam eine Erklärung unterzeichnet, in der sie die Regierungen auffordern, „ihre COVID-19-Wirtschaftshilfe und Konjunkturprogramme an den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft auszurichten.“ *1 Es ist zwingend erforderlich, dass Einzelpersonen, Unternehmen und Regierungen diese Chance ergreifen, die der Welt paradoxerweise geboten wurde, und gemeinsam am Aufbau einer symbiotischen, nachhaltigen Wirtschaft arbeiten.

Das Licht am Ende des Tunnels

― Eine jahrzehntealte Idee als mögliche Lösung für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Corona-Ära

Die beschauliche Stadt Kalundborg in Dänemark zählt nur etwas mehr als 16.000 Einwohner. Sie liegt am Kalundborg Fjord, 100 Kilometer westlich von Kopenhagen, der Hauptstadt des Landes. Seit bereits rund einem halben Jahrhundert ist die kleine Stadt der Schauplatz bemerkenswerter Innovationen. Regierung und Wirtschaft haben hier ein Netzwerk gebildet, die sogenannte Kalundborg-Symbiose, in dem Energie, Wasser und Materialien wie Abfälle effizient geteilt werden, wovon alle Beteiligten profitieren*2.

Hierbei handelt es sich vielleicht um die weltweit erste und gründlichste Erprobung einer industriellen Symbiose. Dies ist ein Modell, bei dem die nach industriellen Prozessen verbleibenden Ressourcen von anderen Beteiligten genutzt werden können. Auf diesem Wege profitieren letztlich alle Beteiligten und gleichzeitig werden die Auswirkungen industrieller Aktivitäten auf die Umwelt reduziert. Dieses Modell dient als Prototyp für die Entwicklung nachhaltiger Sozialsysteme auf der ganzen Welt.

Die Vision einer autonomen Regelung und Verwaltung von Prozessen wird durch die technologischen Fortschritte der jüngsten Zeit bald zur Wirklichkeit werden. Diese wird zu großen Effizienzsteigerungen und der weitgehenden Vermeidung von Abfällen führen. Für die Erwirtschaftung eines Gewinns werden weniger Materialien und Prozesse sowie weniger Zeit und Energie nötig sein. Diese neue Ära wird als „Ära der industriellen Autonomie“ bezeichnet. Um diesen vielversprechenden Traum zu verwirklichen, müssen Unternehmen miteinander kooperieren und ihr traditionelles Streben nach kurzfristigem Gewinn zugunsten des längerfristigen Ziels der Schaffung einer symbiotischen Wirtschaftsgesellschaft aufgeben.

Vernetztes System der Zukunft

„Eine industrielle Symbiose stellt eine lokale Partnerschaft dar, bei der die Partner zur gemeinsamen Wertschöpfung Ressourcen bereitstellen, teilen und wiederverwenden. Der Zweck der industriellen Symbiose ist es, Kreisläufe aus technischen oder biologischen Materialien zu schaffen und gleichzeitig anfallende Leckagen und Abfälle in den Kreisläufen zu minimieren. Hier zeigen sich einige Schlüsselaspekte eines Wirtschaftskreislaufs auf lokaler Ebene.“
- „Case studies: Effective industrial symbiosis,“ Ellen MacArthur Foundation

Das Schlüsselprinzip der industriellen Symbiose-Wirtschaft besteht aus der Transformation des Abfalls eines Unternehmens in eine wertvolle Ressource eines anderen Unternehmens. So wird sichergestellt, dass Ressourcen, die eigentlich ungenutzt weggeworfen werden würden, an eine andere Partei übergeben werden, die für diese Ressourcen einen Nutzen hat. Wenn es möglich ist, ein System zu entwickeln, das die Wiederverwendung von Wasser, Energie und Abfallstoffen optimiert und gleichzeitig die Umweltbelastung durch dieses System mindert, und wenn dann noch diese Prozesse autonom gesteuert werden können, wird die industrielle Symbiose-Wirtschaft zu einer erreichbaren Ambition. In einem solchen System würde der Mensch in seiner Arbeit entlastet, die Arbeitssicherheit deutlich erhöht und Prozesse würden hocheffizient ausgeführt werden.

Auch Yokogawa ist der Ansicht, dass ein solches System tatsächlich zur Realität werden kann. Deshalb arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen, um auf dem Weg zur industriellen Autonomie gemeinsam neue Wege einzuschreiten und Lösungen zu entwickeln, die die Welt bei ihrem Paradigmenwechsel zu dieser neuartigen und umweltfreundlicheren Wirtschaftsform unterstützen.

Die synergetischen Effekte des geteilten Wohlstands

― Die industrielle Symbiose-Wirtschaft wird neue Arbeitsmodelle, neue Werte und eine höhere Lebensqualität bringen

Die Art und Weise, wie die Menschen auf der Welt Energie, vor allem aus fossilen Brennstoffen gewonnene Energie, in der Industrie und im täglichen Leben nutzen, trägt direkt zur globalen Erwärmung bei. Daher ist es sinnvoll, unsere Energienutzung effektiv zu verwalten und gleichzeitig Angebot und die Nachfrage mit Sorgfalt zu überwachen.

Die Anpassung der Energieerzeugung an die Nachfrage stellt jedoch, trotz der mittlerweile großen Fortschritte bei der Einführung erneuerbarer Energiequellen, eine echte Herausforderung dar. Windenergie, Solarstrom und Erdwärme sowie andere erneuerbare Quellen sind weiterhin stark von den Wetterverhältnissen und anderen Aspekten unserer natürlichen Umgebung, wie z. B. einem bestimmten Standort, abhängig. Die Leistungsausbeute unterliegt oftmals zyklischen Schwankungen, sodass es je nach Tages- oder Jahreszeit entweder zu starken Engpässen oder zu erheblichen Leistungsüberschüssen kommen kann.

Die breite Verfügbarkeit und Annahme der erneuerbaren Energien setzt fortschrittliche Technologien und Mechanismen zur Speicherung oder Nutzung von Strom voraus, wenn dieser in großen Mengen erzeugt wird. Diese Systeme müssen außerdem bei Bedarf schnell zusätzliche Energie bereitstellen sowie Schwankungen nachverfolgen können und zielorientiert handeln, um ein akzeptables Gleichgewicht zu bewahren. Außerdem gibt es Spitzenzeiten wie im Sommer und Winter, in denen der Energieverbrauch einer weiteren Konzentration unterliegt. Dies erschwert die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage noch mehr und sorgt dafür, dass die Stromerzeugung im Laufe des gesamten Jahres ineffizient wird.

Die Antwort auf diese Probleme könnte in einem so genannten virtuellen Kraftwerk (VPP bzw. „Virtual Power Plant“) liegen. Durch die Bündelung von Stromressourcen, die von Nutzern aus verschiedenen Bereichen gespeichert werden, und die effektive Verwaltung des Angebots und der Befriedigung der Nachfrage, agiert das VPP wie ein traditionelles, physisch integriertes Kraftwerk. Die Erwartungen sind hoch, dass ein VPP zur Lösung dieser Probleme im Bereich der erneuerbaren Energien beitragen kann, obgleich für ein solches „virtuelles Kraftwerk“ ein hochmodernes Energie-Managementsystem nötig ist.

Ein VPP verfügt über einen „Aggregator“, der zwischen den Energieversorgungsunternehmen und den Endverbrauchern steht, um Transaktionen auf Grundlage der Anfragen des Energieversorgungsunternehmens durchzuführen. Dieses intelligente Lastmanagement wird als „Demand Response“ (DR) bezeichnet*3. Es gibt zwei Arten dieser Aggregatoren: Ressourcenaggregatoren, die Vereinbarungen mit mehreren Verbrauchern eingehen und die unterdrückte Strommenge bündeln, und Aggregationskoordinatoren, die den von den Ressourcenaggregatoren verwalteten Strom bündeln und mit diesem Strom direkt handeln. Verbraucher, die an einem solchen DR-Programm teilnehmen, haben Anspruch auf niedrigere Strompreise und andere Anreize.

Überwachung von Energieangebot und -nachfrage

“„Die Industrien der Zukunft sind nicht einfach nur leicht geänderte Varianten der heutigen, sondern werden neue Quellen des Wohlstands schaffen, die neue Arbeitsweisen auf lokaler Ebene und eine höhere Lebensqualität dort bieten, wo die Menschen zuhause sind.“
- „Towards the Symbiotic Economy: Imagining a Future in 2050”; BFN Business Futures Network/Futurealities-Präsentation für das japanische Ministerium für Land, Infrastruktur, Transport und Tourismus, 2. März 2018

Yokogawa hat durch den Einsatz von IIoT (dem industriellen Internet der Dinge) die effektive Visualisierung des Betriebszustands und des Energieverbrauchs von Fertigungsanlagen zur Realität werden lassen. Das Unternehmen setzt diese gesammelte Expertise nun als Ressourcenaggregator ein und hilft Kunden, die Kosten für ihren Strom zu senken, indem es sie mit Aggregationskoordinatoren zusammenbringt.

Dieses Prinzip lässt sich auch auf Wasserversorgungsanlagen anwenden, die ein entscheidendes Element der industriellen und gesellschaftlichen Infrastruktur darstellen. In der japanischen Stadt Kobe gibt es 127 Verteilungsreservoirs und 51 Wasserpumpstationen. Der Bevölkerungsrückgang in Japan, der natürlich auch die Stadt Kobe betrifft, hat zu einem Überangebot an Wasser geführt.

Yokogawa unterstützt die Stadt Kobe hier als Ressourcenaggregator. Yokogawa überwacht die Füllstände der Reservoirs und die für die Einhaltung des DR-Betriebs erforderlichen Leistungsanpassungen. Über Signale, die auf der Tageszeit und dem Anpassungsvolumen basieren, wird dann der Pumpenbetrieb geregelt. Wenn beispielsweise die Stromversorgung unzureichend ist und der Stromversorger oder der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) eine Reduzierung der Leistungsaufnahme anfordert (ein Vorgang, der als „Turn-Down-DR“ bezeichnet wird) übermittelt der Ressourcenaggregator Informationen über den DR-Betrieb und den Wasserstand im Reservoir an die Stadt Kobe, woraufhin die Pumpe abgeschaltet wird und kein Wasser mehr in das Reservoir gelangt. Dies geschieht natürlich auf eine Art und Weise, die sicherstellt, dass die Wasserversorgung nicht beeinträchtigt wird. Umgekehrt kommt es bei einem „Turn-Up-DR“, wenn ein Überschuss in der Versorgung aus dem Stromnetz besteht, zu einer Anpassung des Betriebszeitplans, um den Pumpenbetrieb in ein geeigneteres Zeitfenster zu verschieben, wodurch die Leistungsaufnahme erhöht wird. Die Stadt Kobe überwacht 17 verteilte Pumpstationen und führt hier Anpassungen nach dem DR-Prinzip durch. Dies ist ein perfektes Beispiel für die Integration dezentraler Energieressourcen und die Schaffung neuer Werte.

Yokogawa hat durch die Integration von Energie- und Produktionsinformationen in den Werken seiner Kunden zur Reduzierung der CO2-Emissionen beigetragen und so auch eine verbesserte Produktions- und Energieeffizienz erreichen können. In nächster Zeit möchte das Unternehmen mit Stadtverwaltungen und Herstellern zusammenkommen und die Nutzung von Überkapazitäten, einschließlich in der Stromerzeugung vor Ort, und Regelungstechnologien für industrielle Speicherbatterien für VPP-Systeme untersuchen. Ziel ist es, die Menge an überschüssiger Energie weiter zu steigern, indem die Charakteristiken der Stromquellen verschiedener sozialer Infrastrukturen und Industriekunden ergründet und in der Folge optimal integriert werden.

Die COVID-19-Pandemie hat auf globaler Ebene historische wirtschaftliche und soziale Krisen verursacht. Angesichts der Tatsache, dass der Welt ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftsstruktur bevorsteht, setzt Yokogwa sich intensiv damit auseinander, welche Technologien diesen epochalen Wandel unterstützen könnten und welchen Beitrag wir als Unternehmen dazu leisten können und müssen.

In unserem Bestreben, die Entwicklung einer industriellen Symbiose-Wirtschaft zu fördern, werden wir auch unsere Unterstützung für die Evolution von Recycling-Prozessen und die Entwicklung von Technologien beschleunigen. Dadurch wollen wir die Umweltbelastung auf unserer Erde reduzieren, einen Mehrwert durch die effiziente Nutzung von Ressourcen schaffen und zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen, indem wir Paradigmenwechsel im Bereich der Energieverteilung gezielt fördern. Yokogawa wird weiterhin eng mit Kunden, Regierungen und anderen Stakeholdern zusammenarbeiten, um den besten Weg zu finden, unsere Erde in all ihrer Schönheit an die kommenden Generationen weiterzugeben. Gleichzeitig möchte Yokogawa einen Beitrag zu technologischen Innovationen leisten, um völlig neue Wege der Wertschöpfung zu entdecken.


Referenzen

*1 : „Over 150 global corporations urge world leaders for net-zero recovery from COVID-19“; Science Based Targets (online), 9. Juli 2020
*2 : Eine Partnerschaft zwischen 11 öffentlichen und privaten Unternehmen in Kalundborg, Dänemark.
*3 : „Demand Response“ wird von der US-amerikanischen Federal Energy Regulatory Commission als „Änderungen des Stromverbrauchs durch Endverbraucher im Vergleich zu ihren normalen Verbrauchsmustern als Reaktion auf die Änderungen des Strompreises im zeitlichen Verlauf oder aufgrund von Anreizzahlungen, die einen geringeren Stromverbrauch in Zeiten hoher Preise auf dem Energiegroßhandelsmarkt oder bei gefährdeter Systemzuverlässigkeit bewirken sollen.“