Well-being

KI für die Produktion der Zukunft nutzen

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Die Geschichte der KI (“Künstliche Intelligenz”) nimmt ihren Anfang um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Damals lag der Schwerpunkt der Entwicklung auf grundlegenden deduktiven Programmen. Dann wurde in den 1980er Jahren die Technologie erstmals auf der Suche nach neuen Erkenntnissen eingesetzt. Wir befinden uns jetzt in der sogenannten dritten Welle der KI: der Ära des Machine Learning. Diese Welle wurde vor allem durch eine bahnbrechende Arbeit über die Deep-Learning-Technologie von Professor Geoffrey E. Hinton im Jahr 2006 ausgelöst. Aber wie viele von uns verstehen wirklich den grundlegenden Zweck dieser Technologie und welches Potenzial hinter dem Begriff „KI“ schlummert? Wie können wir die enormen Möglichkeiten, die uns diese Technologie bietet, effektiv nutzen?

Ein Mittel zum Zweck, aber kein Selbstzweck

― Das Unvermögen, die wahre Natur und den Wert von KI zu erkennen, hindert Industrie und Gesellschaft daran, ihre Vorteile effektiv zu nutzen

Der Consulting-Dienstleister Accenture führte im Jahr 2018 eine Umfrage zum Einsatz von KI durch, die sich an 500 Industrieunternehmen in sechs großen Volkswirtschaften richtete. Die Ergebnisse zeigten, dass von den befragten Führungskräften fast 70 % das enorme Potenzial der KI anerkennen und Chancen sehen, wie diese Technologie die Zukunft ihres Unternehmens nachhaltig beeinflussen kann. Ebenfalls zeigten sie die nötige Entschlossenheit, entsprechende Vorhaben auch umzusetzen. Allerdings hatten nur 16 % der Befragten tatsächlich bereits den nächsten Schritt gewagt. Noch dramatischer: Lediglich 2 % der Befragten setzten KI-basierte Lösungen bereits im großen Stil ein. Viele Unternehmen, die Maßnahmen irgendeiner Form ergriffen hatten, erzielten entweder nur enttäuschende Ergebnisse oder ihre Bestrebungen endeten in Fehlschlägen.

Für diese erfolglosen Versuche gibt es eine ganze Vielzahl an Gründen. Ganz gleich, ob diese Fehlschläge nun darauf zurückzuführen sind, dass man einen „Ansatz mit der KI als Endlösung“ gewählt hat, in dem Glauben, dass die bloße Einführung von KI die bestehenden Probleme schon lösen wird, dass man die finanziellen und technologischen Möglichkeiten, die ein solches Unterfangen erfordern würde, falsch eingeschätzt hat, oder dass man die Art der gesammelten Daten oder die Fähigkeit, sie zu analysieren oder anzuwenden, nicht verstanden hat – enttäuschende Ergebnisse haben in den meisten Fällen gemeinsame Ursachen. Allen voran steht dabei die Unfähigkeit zu verstehen, was KI eigentlich ist. Um KI effektiv einzusetzen, ist es unerlässlich, Probleme zu identifizieren, die gelöst werden müssen. Ebenso bedarf es der richtigen Werkzeuge, die für den Umgang mit dieser Technologie notwendig sind.

Bediener mit Big Data

„Für mich geht es bei der künstlichen Intelligenz darum, Maschinen intelligent werden zu lassen. Mit dem Begriff „Intelligenz“ meine ich in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, in einer bestimmten Umgebung angemessen und vorausschauend zu funktionieren.“ *1
Nils J. Nilsson, Kumagai Professor of Engineering (Emeritus), Stanford University

Die Erwartungen an das Potenzial von KI in der Fertigungsindustrie sind hoch. Doch die Energie- und Ressourcenkosten steigen stetig an. Neue Akteure treten aufgrund des weltweiten technologischen Fortschritts auf den Markt, insbesondere in den Bereichen Statistik und Mustererkennung sowie bei den Big-Data-Plattformen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen kontinuierlich in Bezug auf Kosten und Qualität Optimierungsarbeit leisten.

Bevor ein Unternehmen irgendeine Art von finanzieller Investition tätigt, muss es seine Ziele festlegen und Mitarbeiter mit umfangreichem Fachwissen in den Prozess einbeziehen. KI ist kein Produkt. Es ist eine Wissenschaft, die es Maschinen ermöglicht, die Fähigkeit zu entwickeln, die kognitiven Prozesse des Menschen zu imitieren und Wissen aufzubauen und zu erweitern, wenn mehr und mehr Daten der Maschine zur Verfügung gestellt werden. Aber ohne Menschen mit tiefgehenden Kenntnissen der Fertigungsprozesse können die gesammelten Daten niemals effektiv analysiert oder angewendet werden.

KI in Kombination mit dem Fachwissen aus der Fertigungsindustrie kann Lösungen entstehen lassen, die die Diagnose von Anlagenzuständen und die vorausschauende Wartung erleichtern. So lassen sich wertvolle Assets schützen und die Operational Efficiency kann gesteigert werden. Die Interpretation der Daten in einer Weise, die einen Mehrwert ableiten lässt, erfordert ein erhebliches Maß an Erfahrung und, wie bereits erwähnt, umfangreiches Fachwissen. Unternehmen, die KI verstehen und mit viel Geschick KI-basierte Lösungen entwickeln und in ihre Prozesse integrieren, werden auch in einem zunehmend wettbewerbsintensiven globalen Umfeld stark bleiben.

Mit einem der vielseitigsten Werkzeuge der Geschichte Lösungen entwickeln und Werte schaffen

― Yokogawa setzt sein umfangreiches Fachwissen und seine Erfahrung in der Fertigung ein, um durch die intelligente Auswahl von KI-basierten Werkzeugen einen Mehrwert für seine Kunden zu schaffen

In der Präfektur Nagano befindet sich die Yokogawa-Anlage Komagane, das für die Fertigung von Hableiterbauteilen, speziell Drucksensoren, zuständig ist. Bei der Herstellung von Halbleiterbauteilen müssen Hunderte von Prozessen ausgeführt werden. Es finden verarbeitende Prozesse unter Einsatz von Mikrofabrikationstechniken statt. Einige dieser Prozesse werden intern durchgeführt. Daher ist die Qualitätskontrolle eines der wichtigsten Themen. Aus diesem Grund wurden in der Anlage Komagane zahlreiche Sensoren für jeden Prozess installiert, um stichhaltige Daten zu sammeln. Bei der Verarbeitung dieser Daten wurden die zugehörigen Anlagenzustände bewertet. Da es jedoch viele Prozesse gab, die auf die Qualität einen Einfluss hatten, war die Analyse der Daten aus diesen Prozessen und die Wahrnehmung der komplexesten und kleinsten Schwankungen für den Menschen nicht zu leisten.

In Anbetracht der aktuellen Popularität des Themas „KI“ kam es zu einer ausgeprägten Erwartungshaltung innerhalb des Unternehmens in Bezug auf die neuesten digitalen Technologien. Ingenieure, die für die Produkte und die Wartung von Produktionsanlagen zuständig sind, waren jedoch nicht ausreichend mit den Fähigkeiten und Möglichkeiten dieser digitalen Technologien vertraut und wussten nicht, welche Arten von Problemen mit ihnen gelöst werden können. Ebenso waren die Mitarbeiter aus der Forschung und Entwicklung nicht in der Lage zu bestimmen, wo ihre eigenen Technologien am besten eingesetzt werden könnten. So kam es zwischen den Abteilungen zu einem regen Informations- und Meinungsaustausch über die besonderen Eigenschaften verschiedener KI-Tools.

Gleichzeitig machte man sich daran, Probleme zu identifizieren, die mit den neuen digitalen Technologien, allen voran der KI, gelöst werden könnten. Das Team folgte dabei dem SQDC-Ansatz („Safety, Quality, Delivery, Cost“), einem leistungsorientierten Managementprotokoll, und isolierte so Schlüsselprobleme, denen sie dann Prioritätsstufen zuwiesen. Sie wählten die Probleme aus, bei denen die Wahrscheinlichkeit am größten war, dass sie mit Hilfe der KI gelöst werden konnten. Daraufhin begannen sie mit der Entwicklung von Lösungen auf Basis der am besten geeigneten KI-Technologien, die ihnen zur Verfügung standen. Mit einer nunmehr geregelten Teamstruktur und klaren Zielen, konnte das Anlagenpersonal erfolgreich eine Plattform zur Co-Innovation entstehen lassen.

Digitale Technologie

„Die bei weitem größte Gefahr im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz ist, dass die Menschen zu früh zu dem Schluss kommen, dass sie diese Technologie verstanden haben.“*2
Eliezer Yudkowsky, Mitbegründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Machine Intelligence Research Institute

In der Anlage Komagane wird ein von Yokogawa entwickeltes KI-basiertes Analysetool zur Qualitätsanalyse von Prozessdaten aus der Fertigung eingesetzt. Die Anzahl der Attribute wurde anhand der Signale der Sensoren berechnet, die zur Erfassung der Zustände installiert worden waren. Das Team führte ebenfalls ein mehrdimensionales Analysewerkzeug ein, um komplexe Schwankungen aufzudecken, die die Qualität beeinflussen könnten. Durch die Erhebung von massiven Mengen an IIoT-Daten wurde erstmals ein kausaler Zusammenhang zwischen den Attributwerten und ihren elektrischen Eigenschaften aufgedeckt, wodurch das Team in der Lage war, Phänomene zu entdecken, die diese Eigenschaften beeinflussten. Eine neue Korrelation zwischen den Daten aus der Produktionslinie und der Qualität stellte sich ebenfalls heraus. Das KI-basierte Analysewerkzeug spielte eine entscheidende Rolle, indem es dem Team half, die wichtigen Punkte aus großen Datenmengen herauszustellen und Bedeutung in Daten zu finden, die man zuvor als unwichtig erachtet hatte. Die weitere Verbreitung des IIoT wird zu einem noch stärkeren Wachstum an Datenmengen wie auch der unterschiedlichen Arten von Daten führen. Diese Mengen übersteigen unsere eigenen Verarbeitungsfähigkeiten als Menschen. Der Einsatz von KI wird jedoch die Aufdeckung mehrdimensionaler, komplexer Ursachen relativ einfach machen. KI kann Veränderungen aufdecken, die für den Menschen selbst in Form von Graphen unerkannt bleiben würden. Darüber hinaus findet die KI nunmehr auch auf breiterer Ebene Anwendung, z. B. bei der Bildgebung im Rahmen von Produkt- und Anlageninspektionen und beim energiesparenden Betrieb von Anlagen durch Bestimmung von Schwankungen der Außentemperatur und durch Betriebsprognosen.

Die KI ist ein Werkzeug. Als solches kann es nicht von ganz allein funktionieren, sondern muss angelernt werden. Dazu bedarf es des enormen Erfahrungs- und Wissensschatzes des Menschen. Menschen mit umfangreichem Fachwissen und einem Verständnis für Analysen arbeiten zusammen, um die KI anzulernen und auf die Ausführung der notwendigen Arbeitsaufgaben abzustimmen. Sie liefern die nötige Erfahrung und auch die nötigen Einblicke, um Ergebnisse mit dem Ziel der maximalen Wertschöpfung zu interpretieren. Der Mensch muss als eine Art Vermittler dienen, um die KI sinnvoll zu integrieren.

Yokogawa leitet nützliche Erfahrungswerte aus vielen Quellen, beispielsweise aus den in der Anlage in Nagano erzielten Ergebnissen, ab und stärkt seine internen Strukturen zur Co-Innovation. Das Ziel ist die Entwicklung eines sogenannten „Reinforcement Learning“-Algorithmus, der in den Anlagen zur praktischen Anwendung kommen soll. Dazu wird das Unternehmen sein umfangreiches Fachwissen und seine Branchenerfahrung effektiv nutzen. Und im Rahmen der Co-Innovation mit seinen Kunden wird Yokogawa die KI strategisch zur Stabilisierung der Qualität und zur vorausschauenden Wartung von Anlagen sowie zur Verbesserung von Prozessen und Abläufen einsetzen. Dies wird zu einem schnellen und flexiblen Management für seine Kunden, zur Optimierung ihrer Betriebsabläufe und letztlich zur Schaffung neuer Werte auf Kundenseite führen.


Referenzen

*1 : Nils J. Nilsson, Kumagai Professor of Engineering (Emeritus), Stanford University, The Quest for Artificial Intelligence: A History of Ideas and Achievements, 2010
*2 : Eliezer Yudkowsky, Mitbegründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Machine Intelligence Research Institute, Singularity Hypotheses: A Scientific and Philosophical Assessment, 2012